Lebensraum des Monats Jänner
Kopfweiden sind zwar keine eigene Baumart, aber etwas ganz Besonderes. Mit ihrem dicken, knorrigen Stamm und ihrer buschigen Krone sind sie schon von Weitem erkennbar und landschaftsprägend. Früher dienten sie der Gewinnung von Brennholz, als Bau- und Flechtmaterial, als Viehfutter und Stalleinstreu. Mit der Aufgabe der Nutzung droht jedoch ein Charakteristikum der bäuerlichen Kulturlandschaft und ein wertvoller Lebensraum für viele Tier-, Pflanzen- und Pilzarten zu verschwinden, so der Naturschutzbund OÖ.
Unter Kopfweiden versteht man Weiden, deren Stamm als Jungbaum auf einer Höhe von etwa 1 bis 3 Metern eingekürzt wurde und deren Zweige in der Folge regelmäßig beschnitten werden. Auch andere Baumarten wie Esche, Pappeln oder Linden können zu Kopfbäumen erzogen werden, weiß Mag.a Gudrun Fuß, Ökologin des Naturschutzbundes Oberösterreich.
Meist werden Kopfweiden aus Stecklingen gezogen, die bereits von Beginn an beschnitten werden. Hat sich die typische Form gebildet, erfolgt alle drei bis acht Jahre im Herbst oder Winter ein Rückschnitt aller Äste dicht am „Kopf“. Schmalblättrige Weidenarten wie die Silberweide, die Korbweide oder die Purpurweide eigenen sich dafür am besten.
Lebendiges Baumaterial
Früher wurden die dicken Äste der Kopfweiden häufig als Pfähle für Weidezäune benutzt, dank der enormen Regenerationskraft der Pflanzen entstanden so oft neue Bäume. Als Brennholz oder für die Herstellung von Besen- und Werkzeugstielen wurden die Zweige der Weiden ebenfalls verwendet. Mittlerweile werden Weidenruten gerne zur Errichtung von Bauwerken wie Weidendome oder Tunnel in Parks oder auf Spielplätzen genutzt. Die lange Tradition des Korbflechtens konnte sich bis heute erhalten, einjährige Triebe eigenen sich dafür optimal. In Verbindung mit Lehm können aus Weidenzweigen auch Hauswände gebaut werden. Diese Technik ist schon sehr alt und in vielen Kulturen verbreitet. Bei uns erlebt sie zurzeit eine kleine Renaissance.
Fotos: Kopfweiden bei Grieskirchen und im Naturschutzgebiet Koaserin © J. Limberger; Alois Kugler von der Naturschutzbund-Stadtgruppe Linz beim Kopfweiden-Schnitt © J. Kropfberger
Vielfältiger Lebensraum
Kopfweiden sind wohl das beste Beispiel dafür, dass von Menschen geschaffene Biotope extrem vielfältig und wertvoll sein können. Sie bieten zahlreichen Tieren Unterschlupf, da sie Eigenschaften aufweisen, wie sie bei anderen Baumarten in dieser Kombination nur selten vorkommen. Insbesondere ihr hoher Anteil an verschiedenen Totholzpartien und ihre Neigung zur Baumhöhlen- und Mulmbildung, ausgelöst durch die Besiedlung von Pilzen und Bakterien, machen sie zu einem wichtigen Lebensraum in der Kulturlandschaft. Für höhlenbewohnende Vogelarten wie Steinkauz, Hohltaube, Wiedehopf, Gartenrotschwanz, Grauschnäpper und Trauerschnäpper bieten Kopfweiden ideale Nistbedingungen.
Besonders alte, dickstämmige Kopfweiden werden von zahlreichen totholzbewohnenden Insektenarten wie zum Beispiel dem seltenen Weberbock besiedelt. Über 160 Schmetterlingsarten wurden auf Weiden schon nachgewiesen und auch Hornissen nutzen gerne die vorhandenen Hohlräume für ihre Nester. Im Frühjahr sind die schon zeitig blühenden „Kätzchen“, die männlichen Blütenstände, eine wichtige Nahrungsquelle für blütenbesuchende Insekten. Häufig sind auch Bilche, Steinmarder, Mäuse oder Fledermäuse in den Stammhöhlungen zuhause. Flechten wachsen auf der Rinde. Auch Pflanzen sind auf Kopfweiden zu finden, vor allem Moose, aber auch höhere Pflanzen siedeln sich in Nischen der Weidenstöcke an.
Bäume mit Köpfchen - durch Nutzungsaufgabe in Gefahr
Eine Kopfweide wird immer wertvoller, je älter der Baum wird. Als vielfältig besiedelte Kleinlebensräume stellen sie wertvolle Trittsteinbiotope dar und helfen bei der Vernetzung von Lebensräumen. Durch den Verlust ihrer wirtschaftlichen Bedeutung wird die Nutzung und die Pflege der Kopfweiden jedoch großteils aufgegeben, was nicht nur zu einem Verschwinden von markanten Kulturlandschaftselementen, die das typische Erscheinungsbild einer Landschaft prägen, führt, sondern auch zum Verlust eines wertvollen Biotops für unzählige Arten. Daher die Bitte des Naturschutzbundes Oberösterreichs: Pflegen und schneiden Sie Ihre Kopfweiden regelmäßig oder ziehen Sie doch in Ihrem Garten selbst eine Kopfweide und sorgen so für die Schaffung von wertvollen Kleinbiotopen.
Fotos: Steinkauz © J. Limberger; Kopfweidenzeile bei Walding und bewachsene Kopfweide in der Ottensheimer Streuobstwiese © J. Kropfberger
Lebensräume - Lebensträume
Jeder Art stellt bestimmte Ansprüche an ihren Lebensraum: Die einen mögen es warm und trocken, die anderen feucht und kühl. Es gibt Arten, welche beispielsweise nur im Wald oder im Moor zu finden sind, andere erobern selbst naturferne Biotope mitten in unseren Städten. Nur eine Landschaft mit einer bunten Palette an unterschiedlichen Lebensräumen bietet zahlreichen Lebewesen eine Heimat. Im Jahr 2021 stellt der Naturschutzbund verschiedene Lebensraumtypen Oberösterreichs, ihre typischen Bewohner und auch Gefährdungsursachen im Rahmen der Artikelserie „Lebensräume – Lebensträume“ vor.