Der Friedhof lebt! Diese Aussage scheint im ersten Moment etwas provokant, nichtsdestotrotz stimmt sie voll und ganz. Friedhöfe sind nicht nur Orte der Erinnerung, an denen wir unseren Verstorbenen gedenken. Sie sind auch wertvolle und schützenswerte Lebensräume. Viele Pflanzen- und Tierarten finden hier Rückzugsorte, die ihnen das Überleben in der Stadt ermöglichen oder sie nutzen die Bereiche als Trittsteinbiotope, von denen aus sie neue Habitate besiedeln.
Für uns Menschen sind Friedhöfe Stätten, die wir immer wieder aufsuchen können, um verstorbenen Menschen nahe zu sein. Für die heimische Flora und Fauna aber bietet ein naturnah gestalteter Friedhof eine Fülle an attraktiven Lebensräumen, erklärt der Naturschutzbundes Oberösterreich.
Wenn Friedhöfe richtig gepflegt werden, leisten sie also einen wichtigen Beitrag zum Naturschutz. Wo sonst finden wir auf engem Raum eine so große Vielfalt an verschiedenen Strukturen wie alten Bäumen, Gebüschen, Wiesen, unbefestigten Wegen, Mauern und Steinen?
Gut fürs Klima
Darüber hinaus tragen Friedhöfe mit vielen Bäumen auch nachweislich zur Verbesserung des Stadtklimas bei. Die Böden auf Friedhöfen sind größtenteils unversiegelt und können daher mehr Wasser aufnehmen. Bäume und andere Pflanzen geben das aufgenommene Wasser wieder an die Luft ab, so erhöht sich die Luftfeuchtigkeit und die Temperaturen sinken. Zudem binden Sträucher und vor allem Bäume Kohlendioxid und Staubpartikel. Ein einziger großer Laubbaum reinigt in einer Stunde bis zu 4.000 Kubikmeter Luft, dabei werden täglich rund zehn Kilogramm Kohlendioxid gebunden sowie jährlich 100 Kilogramm Staub aus der Luft gefiltert. Und das Wichtigste: Pro Tag liefert ein grüner Riese 10.000 Liter Sauerstoff, das reicht für fünf bis zehn Menschen.
Naturnahe Gestaltung – gut für Pflanzen und Tiere
Werden vor allem heimische Pflanzenarten für die Grabgestaltung verwendet, bieten sie Nahrung in Form von Nektar und Blütenstaub sowie Früchten für Insekten und andere tierische Friedhofsbewohner, rät der Naturschutzbund Oberösterreich. Auch sind sie besser an unser Klima angepasst und brauchen daher weniger Pflege.
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Fotos: Waldkäuze bewohnen höhlenreiche Bäume; © D. Einsiedler Efeubewuchs bietet Lebensraum und Nahrung. © J. Limberger Buntspecht-Männchen mit Eichel; © B. Rosenberger
Von altem Baumbestand und Gehölzen profitieren Vogelarten wie Amsel, Rotkehlchen, Zaunkönig oder viele Vertreter aus der Familie der Meisen, die das ganze Jahr über auf dem Friedhof zu finden sind. Doch auch andere Vögel wie Spechte und der Gartenrotschwanz fühlen sich hier wohl. Säugetiere wie der Igel, der Siebenschläfer, die Haselmaus oder Fledermäuse bewohnen ebenfalls unsere Begräbnisstätten.
Ein ideales Umfeld finden auch Moose und Flechten. Auf schattigen bis sonnigen Mauern und Grabdenkmälern aus vielen unterschiedlichen Gesteinen und Materialien finden sie günstige Lebensbedingungen.
Für Gräber wird heute weniger Fläche benötigt, da es mehr Urnenbestattungen gibt. Diese sogenannten „Überhangflächen“ bieten viel Potential für die Anlage von extensiven Wiesen, die sich zu einem Paradies für Insekten und andere Kleintiere entwickeln können.
Bezugsquellen für heimische Wildpflanzen: www.rewisa.at
Sie sehen also, Friedhöfe können Orte des Lebens und der Artenvielfalt sein. Sollten Sie bei Ihrem nächsten Besuch auch den einen oder anderen tierischen Bewohner entdecken und vielleicht sogar fotografieren können, dann melden Sie Ihre Beobachtung auf der Citizen Sciences-Plattform des Naturschutzbundes unter www.naturbeobachtung.at.
27.10.2025