Lebensraum Weide – nicht nur gesundes Buffet für Nutztiere

Beweidung mit Schafen und Ziegen im Naturpark Obst-Hügel-Land © J. Limberger

Lebensraum des Monats Dezember

Per Definition ist eine Weide ein landwirtschaftlich genutztes Grünland, auf welchem Nutztiere stehen und die Vegetation als Hauptnahrung abfressen. Der Einfluss der Weidetiere auf das Weideland und seine Pflanzenwelt ist vielfältig. Durch Zähne, Klauen und Hufe entsteht vor allem bei extensiver Beweidung ein buntes Mosaik an Kleinstlebensräumen und dadurch bedingt eine hohe Artenvielfalt. Ohne den Hunger der Haustiere würde dieser interessante Lebensraum allerdings rasch verwalden.

Die Weidetiere - in Mitteleuropa vor allem Rinder, Schafe, Ziegen, Pferde und Esel, aber auch Gänse, Enten, Hühner sowie Schweine - nutzen nicht nur die Weidefläche, sondern auch die Vegetation unterschiedlich. Anders als bei der Mahd findet eine gezielte Auswahl der Pflanzenarten statt: Die Tiere fressen selektiv zunächst die Pflanzen, die ihnen am besten schmecken, jung, zart und saftig sind.

Die Nutztiere haben beim Grasen unterschiedliche „Tischmanieren“: Rinder ergreifen den Aufwuchs mit der Zunge, drücken ihn gegen den Oberkiefer und reißen oder quetschen ihn ab. Dadurch erfolgt ein ungleichmäßiges, stufiges Abweiden der Vegetation. Schafe, Ziegen und Pferde beißen den Aufwuchs mit den Zähnen dicht über der Bodenoberfläche ab. Vor allem Ziegen lieben zudem auch Knospen und Laub von Bäumen und Sträuchern. Schweine hingegen wühlen auch gerne im Boden nach fressbaren Wurzeln und Tieren. Die bevorzugt aufgenommene Nahrung ist aber nicht nur bei den einzelnen Tierarten, sondern teilweise auch bei den Rassen recht unterschiedlich. So zeichnen sind alte Haustierrassen gegenüber Hochleistungsrassen sowohl durch ihre Robustheit als auch Futtergenügsamkeit aus, das heißt sie können auch nährstoffärmeres Futter wie Altgras oder Pflanzen mit niedrigem Futterwert nutzen.

Mit Gift, Stacheln und Dornen gegen hungrige Mäuler

Pflanzen auf Weideland haben gelernt mit den tierischen Rasenmähern umzugehen: Gräser wachsen schnell wieder nach, wenn sie angeknabbert wurden. Rosettenpflanzen wie der Breitwegerich weisen eine hohe Trittverträglichkeit auf. Andere wie die Große Brennnessel oder der Alpen-Ampfer lieben das durch Kot und Urin bedingte hohe Nährstoffangebot an den sogenannten Geilstellen, den Toilettenplätzen des Viehs. Typische Weidezeiger wie die verschiedenen Distel-Arten, Gewöhnlicher Wacholder, Weißer Germer und Blauer Eisenhut schützen sich mit Stacheln, Dornen, spitzen Nadeln oder Gift vor den hungrigen Mäulern. Zudem nutzen viele Pflanzen die Weidetiere als „Taxi“: Sie lassen ihre Samen mit den Ausscheidungen oder im Fell der Tiere, wie zum Beispiel die Kletten, verbreiten. Im Wollkleid eines einzigen Schafes können bis zu 8.500 Samen von gut 50 Pflanzenarten stecken. Für „Weidespezialisten“ unter den Pflanzen sind Weidetiere also lästige, aber auch nützliche Störenfriede.

Buntes Mosaik an Kleinstlebensräume

Auch die Weidefläche an sich wird ungleichmäßig von den Nutztieren beweidet und genutzt. Bereiche rund um die Tränke oder unter einem Schattenbaum werden beispielsweise sehr intensiv begangen. Steile, steinige oder sumpfige Bereiche werden weniger oft besucht – außer es locken hier besonders schmackhafte Köstlichkeiten. Es entstehen dadurch kahle Stellen sowie bewachsene Bereiche mit lockerer und dichter, niedriger und hoher Vegetation bis hin zu Gebüsch. Unterschiedlichste Tierarten können so ihre Nische finden. Ein zusätzlicher Anziehungspunkt für dungbewohnende Arten sind die Hinterlassenschaften von Kuh & Co.

Durch die Rückkehr der großen Beutegreifer wie Wolf und Bär werden Landwirte und ihre Weidetiere vor eine neue Herausforderung gestellt. Durch adäquate Herdenschutzmaßnahmen, für welche sich der Naturschutzbund gemeinsam mit anderen Organisationen im Rahmen des Projekts LIFEstockProtect einsetzt, wird aber auch in Zukunft der Lebensraum Weide nicht nur ein gesundes Buffet für Nutztiere, sondern auch ein Hotspot der Artenvielfalt sein.

       
Der Gewöhnliche Wacholder schützt sich als Weidezeiger mit äußerst stacheligen Nadeln vor den immer hungrigen Weidetieren. Foto © J. Limberger   Der Wiedehopf profitiert vom Insektenreichtum der Weideflächen. Gerne stochert er mit seinem langen Schnabel im Viehdung nach Nahrung. Foto © J. Limberger   Almen - wie hier die Gschwendtalm bei Bad Ischl - stellen als Sommerweiden im Hochgebirge eine Sonderform der Beweidung in alpinen Regionen dar. Foto © W. Krupitz

 

Lebensräume - Lebensträume

Jeder Art stellt bestimmte Ansprüche an ihren Lebensraum: Die einen mögen es warm und trocken, die anderen feucht und kühl. Es gibt Arten, welche beispielsweise nur im Wald oder im Moor zu finden sind, andere erobern selbst naturferne Biotope mitten in unseren Städten. Nur eine Landschaft mit einer bunten Palette an unterschiedlichen Lebensräumen bietet zahlreichen Lebewesen eine Heimat. Im Jahr 2021 stellt der Naturschutzbund verschiedene Lebensraumtypen Oberösterreichs, ihre typischen Bewohner und auch Gefährdungsursachen im Rahmen der Artikelserie „Lebensräume – Lebensträume“ vor.

 

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