Nur wenige heimische Blütenpflanzen nutzen den Winter für den wichtigsten Lebensabschnitt – die Fortpflanzung – und blühen in der kalten Jahreszeit. Eine dieser außergewöhnlichen Pflanzen ist die Schneerose (Helleborus niger). Auch im Jänner kann man in kalkreichen Wäldern ihre schneeweißen Blüten entdecken. Ein natürliches Frostschutzmittel im Zellsaft schützt die Pflanze vor dem Erfrieren.
Wegen dieser ungewöhnlichen Blütezeit galt die Schneerose den Menschen als heilig. Man schrieb ihr besondere Kräfte zu. So soll sie böse Geister vertreiben oder die Pest heilen können. Oft öffnen sich die ersten Knospen bereits um die Weihnachtszeit, deshalb ist sie auch unter dem Namen Christrose bekannt.
Tatsächlich bietet der ungewöhnliche Fortpflanzungszyklus auch Vorteile: Durch das Fehlen der Laubblätter an den Bäumen gelangt viel Sonnenlicht und damit Wärme bis zum Waldboden. Und die wenigen Insekten, welche um diese Jahreszeit aktiv sind, werden in der ansonsten weitgehend kahlen Winterlandschaft von ihren großen, duftenden Blüten angelockt und sorgen für die Bestäubung. Sind aufgrund der Witterung keine Blütenbesucher unterwegs, kommt es zur Selbstbestäubung.
Die derben, tiefgrünen, überwinternden Laubblätter sind „fußförmig“, in sieben bis neun Abschnitte gegliedert und daher unverkennbar.
Auch die auffälligen Blüten der zur Familie der Hahnenfußgewächse zählenden Pflanze sind ungewöhnlich aufgebaut: Bei den fünf strahlend weißen Blütenblättern handelt es sich nicht um die Kronblätter, sondern um die Kelchblätter, die zu einem kronblattartigen Schauapparat umgestaltet sind. Die Kronblätter sind zu kleinen, gelbgrünen, stanitzelförmigen Nektarblättern umgebildet, welche den Bestäubern reichlich Nektar als dringend benötigte Nahrung anbieten.
Schon bald nach geglückter Befruchtung lassen sich die typischen Balgfrüchte mit ihren unzähligen, noch unreifen Samen erkennen. Die Reifezeit der Samen fällt in den Frühsommer. Sie werden dank eines fettreichen Anhängsels vor allem durch Ameisen verbreitet.
Doch bevor die Samen herangereift sind, übernehmen die Kelchblätter, die lange über die Blütezeit hinaus erhalten bleiben, eine wichtige Aufgabe: Die alten Laubblätter sterben ab. Die Kelchblätter betreiben fortan Photosynthese, um die Entwicklung der Früchte zu ermöglichen. Erst nach der Reifung der Samen werden die neuen Laubblätter gebildet.
Die schwarzen Wurzeln der Schneerose, zu feinem Pulver zermahlen, wurden früher als Niespulver verwendet. Heute ist das Schnupfen aus der Mode gekommen. Der Name „Schwarze Nieswurz“ ist für die Schneerose in der Umgangssprache aber erhalten geblieben.
Die Schneerose ist in Oberösterreich teilweise geschützt. Der Naturschutzbund ruft daher dazu auf, nicht mehr als ein paar Blüten zu pflücken. Besser ist es allerdings, sie in der Natur zu belassen.